Paris Hilton
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Und wieder einmal hatte ich es dem Impetus meines Cousins zu verdanken, ein Wochenende in einer großartigen Stadt – diesmal in Europa – verbringen zu dürfen. Über Tchibo gab es eine Aktion im Februar 2011, bei der man für 199 EUR ein Zimmer für 2 Personen übers Wochenende bekam.
Eine Freundin buchte dann für uns über den SNCF von Frankreich aus den ICE, was billiger als über die bahn.de Seite war. Merci Beaucoup, Florence!
Ursprünglich wollten wir den TGV (Train à grande vitesse, d.h. Zug mit großer Geschwindigkeit) aus Frankreich mit dem ICE aus Deutschland vergleichen. Da zu unseren bevorzugten Zeiten ( Hinfahrt, Fr. 06:00, Rückfahrt, So, 19:05 ) aber nur der ICE fährt, fanden wir uns eben damit ab, nur den ICE zu benützen. Dafür aber immerhin 1.Klasse bei der Rückfahrt.
Nikolaus und Gabi parkten ihr Auto vor unserer Garage und wir fuhren dann mit dem ÖPNV zum Hauptbahnhof. Dort angekommen, bezogen wir unsere reservierten Plätze und langsam wich die Anspannung von uns. Die Vorfreude auf den Kurzurlaub nahm immer mehr Besitz von unserem noch müden und gehetzten Geist.
Eine Minute vor der planmäßigen Abreise zeigte die Bahn mal wieder, wozu die ganzen Einsparungen und Personalkürzungen wirklich gut sind: Technische Probleme werden umgehend über Lautsprecher durchgegeben. “Aus Gründen” können wir nicht auf dem schnellen elektrischen Eisenross gen Paris reiten, alle Passagiere werden gebeten, den Zug zu verlassen und sich vom Bahnsteig Gleis 20 zum Gleis 5 zu begeben. Nicht lustig für die Leute mit größerem Gepäck, die Treppen vom Bahnsteig 20 runter, durch die Unterführung und wieder am Gleis 5 hoch zu schleppen. Dort warteten wir 30min, als zu unserer Überraschung dann ein TGV vorfuhr. Die Platzreservierungen des ICE waren natürlich hinfällig, und die Passagiere wurden aufgefordert, sich einen Platz zu suchen: “first come, first serve”.
Wir bezogen sogleich einen Viererplatz, diesmal mit Tisch gleich am Eingang und fuhren endlich mit einer Stunde Verspätung ab. Dank dieses kleinen Ungemachs konnten wir unseren ursprünglich geplanten Vergleich der beiden Schnellzüge nun doch durchführen – sollte bei der Rückfahrt alles wie geplant verlaufen. Aber zwei mal hintereinander Probleme beim ICE? Das wäre ja sehr unwahrscheinlich… “wäre”, wie wir später bei der Rückreise feststellen mussten.
Das TGV-Netz in Frankreich sucht seinesgleichen, kaum ein anderes Land der Welt hat es geschafft, ein so großes und schnelles Bahn-Netz zu bauen und sich als ein ernstzunehmender Konkurrent zum Flugverkehr zu etablieren.
Nachdem diese erste unangenehme Aufregung verdaut war, schweifte mein Blick durch die doch SEHR andere Inneneinrichtung des TGV. Das Design des Interieur in rot/lila, mit asymmetrisch geformten Kopfstützen und interessant anmutender Mittelarmlehne, wirkt schon ziemlich schräg. Ob das Interieur deswegen so schräg zweifarbig war, weil die zerschlissene Oberfläche nach Jahren nicht mehr in der gleichen Farbe erhältlich war, oder ob es absichtlich zur trés chic Avantgarde gehört kann ich leider nicht beurteilen. Spontan hat man das Gefühl vom Kommandostand des kühlen Raumschiff Enterprise in den schwülstigen, kuscheligen Orient Express umzusteigen.
Das Bord-Bistro ist elegant gezeichnet und geschwungene Steh-Tische geben dem ganzen dann doch wieder einen futuristischen Anstrich. Die Edelstahlblenden oberhalb der Bistro-Theke standen an manchen Stellen ab, Schrauben fehlten und versenkte, kaputte LED-Leuchten, die teilweise noch lustlos flackernd schräg aus den Decken hervorlugten, trugen zum etwas verwohnten Ambiente bei. Als ich weiterging, um das WC aufzusuchen, machte ich den üblichen Fehler, der ungeübten Zug-Reisenden wohl sehr gerne widerfährt: Ich war begeistert über den funktionierenden automatischen Seifenspender und war sogleich genervt vom nicht funktionierenden Wasserhahn. Also immer vorher 1. Klopapier 2. Wasserhahn 3. Papier für’s Händetrocknen überprüfen. Wie ich das Problem der seifigen Hände löste, überlasse ich der Phantasie des Lesers.
Mit einer Stunde Verspätung erreichten wir den Ostbahnhof in Paris. Paris Gare de l’Est ((Paris Gare de Est)).
An Infoständchen, die gleich am Bahnsteig aufgebaut waren, bekamen wir Briefkuverts, die man mit dem Ticket zum SCNF einschicken konnte, um etwas vom Fahrpreis zurück zu bekommen. Von Bekannten hörte ich auch, dass solche Unannehmlichkeiten nichts außergewöhnliches sein sollen.
Während ich mich endlich in richtigen Toiletten mit funktionierenden Wasserhähnen kultivierte, orientierten sich inzwischen die anderen Mitreisenden anhand des Netzplanes und lotsten uns umgehend durch das gut beschriebene Netz der Metro. Leider aus historischen Gründen nicht wirklich barrierefrei und wenn schon mal ausnahmsweise Rolltreppen vorhanden waren, dann meistens außer Betrieb (FFM lässt grüßen) . Wir fuhren mit der Linie 4 bis zur Station Châtelet. Die Linie 4 hat bei den Parisern einen schlechten Ruf, weil sie nach wie vor die Linie mit den höchsten Temperaturen ist: Die Waggons fahren auf Gummireifen, was durch die erhöhte Reibung viel Hitze erzeugt, die chronische Überfüllung der Wagen und die Tatsache, dass die Linie 4 eine der wenigen vollständig unterirdischen Linien ist, führt im Sommer zu starker Erwärmung in den Zügen.
An der sehr großen Station Châtelet mussten wir dann in die Linie M1 wechseln, die uns zum Grande Arche ((Grande Arche)) in La Défense bringen sollte. Am Bahnsteig fiel mir sogleich die komplette Abschottung der Gleise durch Plexiglaswände auf. Unterbrochen ist die gläserne Barriere durch mehrere Schiebetüren, die sich deckungsgleich mit den Türen der anhaltenden Züge automatisch öffnen. Nikolaus und Gabi stiegen vor uns ein und als ein lautes Hupensignal ertönte, wollte ich noch hinter Botty in den Zug steigen. Plötzlich schlossen sich die Schiebtüren des Zuges und gleich darauf auch jene von der Bahnsteigabgrenzung. Da sich Botty noch genau dazwischen befand trat ich sogleich mit meinem Fuß dazwischen und erwartete gewohnterweise ein sofortiges Wiederöffnen beider Türen. Aber wie in einem schlechten Traum reagierte die Tür nicht und quetschte meine kleine Süße immer mehr zusammen. Ich versuchte mit Gewalt, mich dagegen zu stemmen, aber unnachgiebig und gnadenlos dückte das automatische Türenpaar immer weiter zu. Nachdem wir erkannten, dass diese Versuche komplett wirkungslos sein würden, gelang es Botty dann doch noch sich aus der stählernen Umklammerung zu befreien, kurz bevor die Metro dann ungeachtet dieses Vorkommnisses die Station verließ. Geschockt von den soeben nicht vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen, nahmen wir mit unseren Mitreisenden Kontakt per SMS auf, was die Situation der Trennung unserer kleinen Gruppe sehr entspannte.
Plötzlich entdeckten wir auch das große Warnschild an den Plexiglaswänden, dass nach dem Ertönen des sehr deutlichen Signitaltons nicht mehr in die Metro eingestiegen werden soll, da die Türen IMMER schließen. In der Hektik hatten wir das natürlich übersehen und dem Warnton keine große Bedeutung zugeordnet. Nach dieser Aufregung trafen wir uns an der Endstation der M1 la Defence und gingen nach oben am Grande Arche vorbei zum Hotel Hilton, um endlich die Zimmer beziehen zu können. Dort trafen wir Doris, Gabis Schwester, die bereits von Wien aus nach Paris geflogen war. Leider waren wir viel zu früh da und mussten noch warten, was uns etwas Zeit verschaffte, bis dahin das Viertel La Défense zu erkunden. Nach einem kurzen Spaziergang über die Steinplatten fanden wir endlich neben einem Wasserbecken ein Restaurant, in dem wir vorzüglich speisten.
Vollkommen erschöpft konnten wir dann endlich unsere Zimmer beziehen und holten etwas Schlaf nach. Weckerbimmeln um 04.00 Uhr ist so gar nicht unsere bevorzugte Aufstehzeit.
Gegen 19:00 Uhr abends verabredeten wir uns in der Lobby und fuhren mit der M1 wieder ins Zentrum. Eine Freundin von Heike, die sehr oft in Paris bei ihren Großeltern war (( Merci beaucoup, Karine )), gab uns einen Tipp für ein Restaurant namens Alcazar ((Alcazar.fr)). Wir stiegen dazu an der Haltestelle Louvre aus und spazierten über die Pont Neuf in den 6. Bezirk.
“Pont Neuf”, heißt zwar “neue Brücke”, ist aber eigentlich die älteste der noch existierenden Brücken in Paris. Der 6. Bezirk, das 6. Arrondissement ( de Luxembourg ) wird auch Saint Germain genannt. Ein sehr nettes, warmes Viertel mit vielen Galerien und Cafes, das gerade dazu einlädt, gemütlich durch die Gässchen zu schlendern und in den Auslagen die Kunstwerke auf sich wirken zu lassen. Das Alcazar überraschte mit einer sehr interessanten Architektur, wobei eine eingelassene Glaskonstruktion in der hohen Decke sehr viel Taglicht in den Innenraum bringt. An den Seiten zur Deckenöffnung waren weiße Leinwände angebracht, auf denen Filmausschnitte aus alten Schwarzweißfilm-Klassikern projiziert wurden, natürlich ohne Ton.
Die Bedienung war sehr freundlich und entspannt, empfahl einen sensationellen Wein und servierte ein Brot, an dem man sich alleine schon genüsslich satt essen hätte können. Kleine Schälchen mit gesalzener Butter wurden permanent nachgereicht.
Nachdem wir Leib und Seele verwöhnt hatten, beschlossen wir, einen Verdauungsspaziergang wieder zurück über die Pont Neuf, auf der Champs-Élysees in Richtung La Défense zum Hotel zu versuchen. Da es sich doch mehr als gedacht in die Länge zog, stiegen wir nach 1 Stunde wieder zurück in die M1 und fuhren ins Hotel, wo wir erschöpft in die Betten fielen.
Die sehr unangenehme, trockene Luft kann man durch das Offenlassen der Badtüre etwas lindern. Manchmal hatte ich doch tatsächlich vergessen, mich unter die Dusche zu stellen, obwohl der heiße Brausestrahl bereits das ganze Bad in feuchten Dampf hüllte. Bisweilen lohnen sich so kleine Vergesslichkeiten ungemein, wenn sich dadurch auf allen Oberflächen im ganzen Zimmer eine dünne Schicht des kondensierten Wasserdampfs legt. Besonders die Nasenschleimhäute dankten es und die Klimaanlage wurde nachts generell außer Bertrieb gestellt.